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Grand Tour

by Fitzgerald & Rimini

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1.
Rimini 05:05
Vom Meer här ziets. E Heli transportiert e Madonna, früsch reschtouriert. Dr Himmu isch graublau, u drin in hanget d Jungfrou amene Seili us Stau. Das Biud isch zimlech surreau u itz fats o no aafa schneie. Du nimmsch di Goffer a d Leine uf dr Suechi nach emene Hotel ir zwöite Reie. Chunnsch are 70er-Jahr-Bar verbi. Am Zapfe steit e verweukti Prinzässin, di schänkt sech grad e Spumante i, luegt derbi glängwilet u herrschelig dri, so, aus wär ire Père hie Disco-Chünig gsi. U itz bättisch du si chli dür d Schibe a u wo sech öii Blicke im Beschlagene chrüze, da verschiebt sech öppis i dir drin: Du hesch vergässe, dass du Dräck am Stäcke hesch, e Frou u Ching. D Prinzässin grinset überläge, du lachsch itz chli verläge. Schnee kippt i Räge. Du wünschisch dir es angers Läbe u es läbeslangs Glück. Loufsch witer dür ne Betonschlucht, verbi ar e Spiusalonflucht. Im Hotel Nevada louft Radio Maria. Es wird bättet, u d Heizig chlopfet off-beat. E Stift steit vor emene Schlüssuchaschte u schlaft fasch im Sta i. Dr Bueb brümelet: «Nume dr sibet Stock isch in Betriib.» Du nimmsch d Stäge, wöu dr Lift wot nid. Es schmöckt nach Tapete u verdunschtetem Gin. Du chüüchsch u fragsch di, öb di Stimm, wo du sit guet ere Minute ghörsch, vo duss chunnt oder vo dinn. Oder dinn isch i dim Gring. Loufsch dür ne ewig länge Gang. I däm hange auti Foto mit Summergescht u Dolce Vita druf ar Wang. Du loufsch u loufsch zu dire Tür u dräisch dr Knouf, geisch über d Schweue, touchsch i d Zäue, sinksch i d Faue. Ligsch i däm Näscht wi e aute Hund oder wi es Wrack ufem Grund. Dini linggi Hand suecht d Fernbedienig, di rächti Hand dr Hosebund, u d Gwohnheit seit: «Es geit, es geit, es geit de scho, schaut i.» Es si Wahle. Du hesch ke Weli. Uf jedem Sänder louft politischi Komedi. So mit haubblutte Tänzerinne. Dr Tüfu spiut e Schlager, u sini Tschumple singe, es gäb bis zletscht no öppis z gwinne. Schubidu, schubidu. U itz merksch ersch, dass di Tschumple aui gliich usgseh wi du. U du fragsch di, öb di Doppugänger verwandti Seele si oder maskierti Sänger, u das roubt dir schier dr Schnuuf. Du geisch zum Fänschter u schrissischs uuf. Ghörsch ds Meer, ärnschthafti Wäue. Wiissi Flocke schneie ine u vergheie ufem Teppich, wi di erschti Reie ufem Bode im Chrieg. Dr Tüfu spiut geng no uf Tüfu chum use, aber duss isch stiui Nacht. Dr Mondschiin löiet uf dr Küschte u dire nümm ganz subere Weschte. Itz läänsch usem Fänschter, u scho füeusch di liechter u fingsch, aus miech dir nümm viu uus. Du luegsch uf di schwarzi Adria. Uh ja, di ziet di itz grad zimlech a, uh ja, di zieht di a. Du bisch nume no haub i däm Zimmer, es dünkt di, du ghörsch no ds Gwimmer vom Sensemaa oder vor e Tänzerin, wo im Fernseh in e Misstritt het gmacht oder es Schlegli het gha. Itz steisch am Strand. Im Sand ligt e Roche tot ufem Trochne am Ufer im Schnee, so wids mau imene Fium hesch gseh. Drnäbe steit d Prinzässin us dr 70er-Jahr-Bar, schön u verläbt, mit nasse Haar. Si grinset, du fragsch: «Säg, bin i no mi? Oder wär bin i? Säg, isch es das gsi?» U itz seit si: «Es geit verbi, das isch d Nachsaison in Rimini. D Nachsaison in Rimini.» U ganz ir Neechi steit d Madonna wider im Alberti sire Chile u e Gängschter geit vor ire uf d Chnöi.
2.
Brüssel 05:27
I sitze imene Japaner dans la Rue Américaine z Brüssu shared food concept between the expats quand une Espagnole me raconte en anglais que quelques jeunes Espagnols émigrés meurent de froid dans les rues norvégiennes u när seit eine uf Französisch: «Fasch wi di usgsteute Afrikaner z Brüssu ar Wäutusstellig im 58i.» I hocke im Schoss vo de Eurokrate dans les entrailles des eurocrates u nime Sprachbeder en masse, des bains de langues parce que j’adore ça obwou i se gar nid au versta di Sprache u o nid di Sprachbeder et ni les eurocrates. U während im einte Egge so gredt wird, gheit mir es usstärbends Fischli vom Stäbli et à la deuxième tentative verschwindets für immer i mim hedonistische Müüli while in another table corner they talk about policies and frameworks, et je demande avec ma bouche pleine de sushi, pleine de langues, was das genau bedüti et pourquoi on a toujours dit Merkozy et pas Sarkel. To be honest, I don’t give a shit about their answer. I just wanna be part of this round u wot Sprachbeder nä en masse, des bains de langues parce que j’adore ça obwou i se gar nid au versta di Sprache u o nid di Sprachbeder ni les eurocrates. Ils ont quitté leur pays mais pour l’Allemand qui parle en anglais isch DDR e heilsami Erfahrig gsi, z merke, dass d Wahrheit nid wahr muess si, but he deeply believes in Europe, u i wot o dra gloube. J’ai la nostalgie de la foi et du fois gras entre mes lèvres pécheresses, aber Gänsehäus mit Metaustange z plage ghört verbotte im nöie Europa. Though I’m not part of it, nevertheless, je me baigne dans ses langues. I nime Sprachbeder en masse, touche ab, j’adore les bains de langues obwou i se gar nid au versta di Sprache u o nid di Sprachbeder ni d’ailleurs les eurocrates. Churz han i mi verlore ir Struktur vor e Auge, quand une Finlandaise dit en allemand que la face de Facebook à Bruxelles s’appelle Erika Mann. U itz frag i mi, öb äch Lobbyischtinne di bessere Schriftsteuerinne für Europa si, u merke, dass i es zimlechs Gstürm im Gring ha u o zimlech eine ar Chappe, alors je demande à l’assemblée, was de e gueti Eurokratin usmachi. Et un Lituanien me répond en flamand: «To think logically in several languages.» U i dänke, i däm Fau geit das no Jahre till I’m part of this shared food concept. I tünkle roue Fisch i Sojasosse et je me demande s’il se sent comme moi dans son bain de soja and whether we are both dying out for the sake of a great idea, wo viu euter isch aus mini chliini Sprachlosigkeit dans cet océan de langues.
3.
Monaco 04:50
Maude logiert seit einigen Tagen im Hôtel de Paris, Diamond Suite Winston Churchill, und fühlt sich ein bisschen wie Grace Mugabe. Maude ist eine Luxusmade, weltentrückt und eingenistet in der weichen warmen Wade einer osteuropäischen Waffenhändlerin. Und wenn das Sonnenlicht sich an der Yacht der Oligarchin bricht, dann sonnt sich auch Maude auf der Flying Bridge in ihrer fleischigen Wabe, lauscht dem Prickeln des Champagners und frisst und frisst. Leichtsinn liegt hier in der Luft. Möwen kreisen über der Bucht und rufen: «Rien ne va plus, kleine Maude. Rien ne va plus. Auch wenn Oleander hier ewig blüht.» Maude liebt das Leben auf Kosten der andern. And the costs at the coast are considerable, besonders abends. Dann pudert sich der Mond zur never ending party. Die Oligarchin sitzt bereits seit Stunden im Casino und spielt sich wie besessen in den Rausch. Maude saugt indessen, bedeckt von Pailletten, einen Cocktail aus slawischem Körpersaft. Nach Mitternacht wirft die Oligarchin Rubinohrringe vor die Füsse des Croupiers. Der grinst und gönnt sich eine Pause mit einer Gauloises Blondes. Ja, der Leichtsinn liegt hier in der Luft. Möwen kreisen über der Bucht und rufen: «Rien ne va plus, kleine Maude. Rien ne va plus. Auch wenn Oleander hier ewig blüht.» Azurblaue Wogen klatschen an die Klippen, auf dem Dancefloor wippen Piratenfürsten zu harten Rhythmen aus Detroit. Unter ihren Augenlidern liegt ein alter Fluch begraben. Maude weiss, eines Tages ist checkout-time, coz she is not a rich man’s child. Doch bis dahin will die kleine Junkymade sich an der grenzenlosen Jouissance laben, in dieser Stadt, die keinen Winter kennt und das Rennen auch dann weitergeht, wenn Lorenzo Bandini im Ferrari verbrennt. Ja, ja, der Leichtsinn liegt hier in der Luft. Möwen kreisen über der Bucht und rufen: «Rien ne va plus, kleine Maude. Rien ne va plus, kleine Maude. Auch wenn Oleander hier ewig blüht.» Maude liebt jeden Zentimeter der Oligarchin, doch irgendwann ist sie zu dick für deren Haut. Der Wohnsitz wird zur offenen Wunde. Bevor das Skalpell die Oligarchin trifft, ist Maude schon ausgeflogen, stieg wie die Concorde in die Lüfte – Jetset adieu – und landete auf einem Hundehaufen, quelle nouvelle résidence, mon Dieu. Manchmal vermisst Maude die Oligarchin. Dann fliegt sie zu ihr ins Hotel und setzt sich auf ihr Dekolleté. Doch es fühlt sich irgendwie anders an. Leichtsinn liegt hier in der Luft. Möwen kreisen über der Bucht und rufen: «Rien ne va plus, kleine Maude. Rien ne va plus, kleine Maude. Oleander blüht und blüht.»
4.
Istanbul 03:39
Wär Platz het, steit ar Reling. Eine isst es Brötli, drin e Fisch. E Chrischt stieret uf ds Wasser u e Derwisch i d Gischt. E Dragqueen bättet lisli, u e Schuemacher roucht es Chrut. E Fenerbahçe-Fan treit e Tschador u e Schrittmacher unger dr Hut. Zwe Grieche hange über ds Gländer, e Spekulantin i de Seili. E Chinesin schiesst es Picture vo letschte byzantinische Gebäudeteili. E Kurdin singt es Lied u schlückt e Piue, wo söu häufe gäge d Wuet. Ire Tunnublick geit dür sibe Hügle u verlüürt sech im Tribguet. U itz leit d Fähri a am Quai, es schmöckt nach Disu u nach Tee. Si stige us, si stige i, Europa-Asie-Europa. Si stige us, si stige i. Scho wider isch nüt verbi. E nöie Kontinänt, 20 Minute Ewigkeit si ds Änd. Ufem Oberdeck hockt wi in Trance e Trader, isst e Sesambräzu u list – ganz muslimische Calvinischt – ds Ärdbebe-App u dr Börsebricht. E Armenier spiut Backgammon gäge aui, wo backbord gäg ihn wei spile. U aus, wo er je verlore het, gwinnt er o hüt nid zrügg. Im Heck, aui chli am Döse, sogar dr Säubschtmordattentäter isch ignickt u tröimt im vorletschte Schlaf, er heigi nüt kaputt gmacht, sondern öppis gflickt. Are Archäologin bisse d Ouge, si schnüzt i Yves-Saint-Laurent-Schau, schiesst e Fläscheposcht i Bosporus: «#Taksim isch überau.» U itz leit d Fähri a am Quai, es schmöckt nach Disu u nach Tee. Si stige us, si stige i, Asie-Europa-Asie. Si stige us, si stige i. Scho wider isch nüt verbi. E nöie Kontinänt, 20 Minute Ewigkeit si ds Änd.
5.
Teufelsberg 02:01
Was von einst geblieben war, lag unter uns begraben, als wir auf Trampelpfaden den Teufelsberg bestiegen, um einen Blick zu werfen auf die Stadt, eine Art Afterafter-Party. Wir legten uns ins Fingerkraut, auf die im Krieg gefallenen Häuser, auf Klinker, Zement und Porzellan, auf Schichten: Geschichte, die hervortrat unter Narben im Gras und uns im Nacken sass. Es dämmerte, und wir blickten in die Ferne. Im Urstromtal reckte sich das Hypothekenkapital zwischen Grossstadtpflanzen, resistenten Ecken und Kanten auf märkischem Sand. Und dann fragte Marie: «Wann zerstören wir?» Die kaputte Sophie wollte Heizpilze sammeln. «Die Ruinen von morgen stehen hier», sagte Kasimir. Wir wollten die Dinge aus der Nähe betrachten. Der dritte Sektor und die Avantgarde des Waldes erwachten. Mensch und Wildschwein schworen das Gelübde zu den Billboards in Mitte: «You need more than ever before.» Das Aderwerk der Strassen tickte, Nachtschwärmer nickten glücklich ein. Und irgendwo in einer schicken Carloft küsste ein müder Kunde einen Callboy. 30 Euro kostet eine Schäferstunde in der Republic of Fun. Mit der ersten Sonne flog ein Falke über das Plateau. Eichen rauschten am Saum des Waldes. Wir lauschten, wie sie komponieren, und hofften auf eine Zeit, an die wir unser Herz verlieren. Und dann sagte René: «24 Stunden sind kein Tag.» Und André: «Was steht unter dem Strich?» «Und wie lange dauert dann ein Leben?», fragte ich.
6.
Bermondsey 04:07
Her name is Milly, Milly aus Bermondsey, Bermondsey that used to be London’s centre of 19th century Tierhautindustrie, und so passt es auch irgendwie, dass Bermondsey still one of these places is where you learn wie man Haut über die Ohren zieht und wo «fuck» jedem Satz den Rhythmus gibt. Her name is Milly, Milly aus Bermondsey, Spross einer working class dynasty, whose only legacy was sympathy for white power, preference for white powder, blind trust in die Britische Lotterie and unconditional love for Millwall FC. Her name is Milly, Milly aus Bermondsey, and where she goes it smells of Ärger of cheap Parfüm and cheeseburger. No one likes her, but she doesn’t care, she never cries coz Milly weiss, welcher Wind im Süden weht. Oh, she knows, wie verlieren geht. Milly is really no conventional beauty, but the ungekrönte queen of the Bermondsey scene. She worked hard on her career, broke up school to play some pool at the local pub, to fight, drink and screw. Milly’s Bleibe ist beileibe not Victorian. She lives next to the tracks auf schiefer Bahn between bricks and stacks in an old caravan. And in her sleep she looks like a lamb, but deep in her chest ruht even then die Wut auf Gott und West Ham. Und wenn Nieselrain ans Fenster klopft und Saturday ein Stück näher rückt, spürt Milly so etwas wie Glück. She carefully irons her dearly-loved Lions on her hoodie sweater. Unter der Kapuze trägt Milly halbe Glatze und ein dickes Fell. What she does, she does it well. Milly is really no conventional beauty, but the ungekrönte queen of Millwall’s hooligan scene. She worked hard on her career, broke up school to play some pool at the local pub, to fight, drink and screw. I never knew how it feels to be hit by a she until she hit me. Milly is really no conventional beauty, but the ungekrönte queen of Millwall’s hooligan scene. She worked hard on her career, broke up school to play some pool at the local pub, to fight, drink and screw.
7.
Regen bricht durch Luft, und Laternenlicht sticht durch die Spalte eines Vorhangs. Eine Frau erhebt sich aus galicischen Laken. Eine Kakerlake klettert in einen Latexhandschuh. Ein Mann in Funktionswäsche fragt: «Woran denkst du?» Und die Frau sagt: «À un berger allemand.» Und während sie spricht, schwankt ein Prozessionszug mit Kreuzen beladen durch die Stadt. C’est Pâques à Saint-Jacquesde- Compostelle. Mörtel bröckelt von der Decke, in der Ecke lehnt ein Pilgerstab. Der Mann sagt: «Innsbruck war der Start. Kennst Innsbruck?» «Connais pas.» «Innsbruck ist schmuck.» «Tu veux une cigarette?» «Du, ich rauch schon lang nicht mehr. War schwer, aufzuhören. Kann’s dir nur empfehlen. Wo war ich stehengeblieben?» «Un paquet de Fortuna par jours et la vie pèse moins lourd.» «Pfaffenhofen. Dann Roppen, Zams, vorbei am Zammer Lochputz, das ist so eine Schluchtenlandschaft mit einem, ich kann’s nicht anders sagen, mystischen Wasserfall.» «Quand j’ai vu la mer pour la première fois, j’ai eu peur de mourir.» «Und da gehst über einen Wasser-Erlebnis-Steig. Und dringst ein in eine wilde Naturschönheit. Das Wasser hat dort eine enorme Kraft. Da bist baff.» «Tu veux une bière, j’ai soif.» «Und irgendwann kommst in St. Christoph an. Da gibt’s ein nettes Hospiz. Das schützt dich vor Gottes Launen wie Donner und Blitz.» «Quand la tempête fait rage, tout est calme au fond de la mer du non-retour.» «Auf Wanderschaft erlebst du ja Wetter und Land direkter, nicht nur leiblich, sondern auch affektiv, meditativ, irgendwie weiblich. Dann weiter, Schritt für Schritt, eine Kadenz des Glücks. Bis Bludenz.» «J’ai traversé des pays à pied. Depuis je préfère le voyage motorisé.» «Und von Bludenz weiter, gell, immer noch zu Fuss. Und zu Fuss gehen macht dich gescheiter, du kommst weiter, also eben auch innerlich. Du hast Begegnungen, aber findest auch dich, also zu dir. Das ist nicht leicht, weil deine angeschlagene Seele schleppst du ja mit. Und bei solchem Ballast und solchen Distanzen kommst klar an Grenzen. Auch körperlich. Wanzen in Stanz, in Valence die Blasen, in Toulouse den Blues. Uh, Toulouse. Zu Fuss ist Europa schon gross. Und der Jakobsweg kein Zuckerschleck, no walk in the park, er erschüttert Mark und Bein.» «J’ai pris la route ouest-africaine. Le Sahara est dur, mais ce n’est que l’ouverture.» «Grad die Pyrenäen – diese Hunde – gehen dir an die Substanz. Und ob du’s glaubst oder nicht, in Foncebadón entglitt meinen Lippen nach Jahren ein erster Rosenkranz. Da war ich schon ziemlich am Ende. Also mit den Nerven. Aber wenn du dich dann über den letzten Hügel schleppst und runter nach Santiago de Compostela blickst, ist das schon ein Moment von unbeschreiblichem Glück. Spirituell gesehen, eine Wahnsinnserfahrung.» «Moi en Dieu j’y crois, tu es croyant toi?» «Ich bin halb Buddhist, halb Christ und dazu noch ein bisschen Kapitalist.» Und während er spricht, tragen barfüssige Büsser einen Jesus Christus durch die Stadt. Und vor dem Fenster fällt der Regen und ein Splitter Nagellack wie ein welkes Blatt von ihrem Finger aufs Parkett. Das Bett ist leer. Die Frau steht am Fenster, der Mann auf wunden Füssen hinter ihr. Er sagt: «Am Ende meiner Pilgerfahrt betrat ich die Kathedrale, warf eine Münze in den Opferstock. Im Hochaltar thronte im goldenen Rock wie ein Krösus der heilige Jakobus. Pilger aus aller Herren Länder standen dicht beieinander und zwängten sich durch einen schmalen Treppenaufstieg. Das tat auch ich. Und irgendwann stand ich hinter dem Jakobus und gab ihm einen Kuss. Aber im Gegensatz zu dir ist er aus hartem Holz geschnitzt.» «Tu as encore de l’argent pour une heure de plaisir en sus?» Und während sie spricht, tragen barfüssige Büsser eine María de la Soledad durch die Stadt. C’est Pâques à Saint-Jacquesde- Compostelle.
8.
FLIGHT FR 2484 TO VENICE TREVISO IS CANCELLED. FLIGHT BA 397 TO BRUSSELS IS CANCELLED. FLIGHT LS 241 TO NICE IS CANCELLED. FLIGHT TK 284 TO ISTANBUL IS CANCELLED. FLIGHT LH 4311 TO BERLIN IS CANCELLED. FLIGHT BE 397 TO LONDON HEATHROW IS CANCELLED. FLIGHT IB 3875 TO SANTIAGO DE COMPOSTELA IS CANCELLED. FLIGHT B2 895 TO WARSAW IS CANCELLED. FLIGHT SN 2325 TO GENEVA IS CANCELLED. ALL FLIGHTS FROM AND TO REYKJAVÍK ARE CANCELLED.
9.
Langanes 03:51
Ufkratzeti Sunnestrahle lige im Moos. S isch nümm viu los uf Langanes. Das isch dr Usseposchte vo Europa, Island isch es Jota am Polarkreis. D Amis si scho lang gschobe, u d Fischzucht het sech nach Weschte verschobe. Dr Chaut Chrieg ligt uf Iis. Ds Käär um d Kabeljaue isch verbi. E toubi Radarstation döset vor sech hi, u im Lüüchtturm am Zipfu si d Bire ändgüutig düre. Paar Wäue schlö a ds Ufer, paar Seehüng bäue u paar Eufe löie ungerem ne Stei. U itz seit d Ellin zum Arni: «Das wird wider e schöne Tag gsi si», u hänkt sech bi ihm i. Hüt fiire si Iisigi Hochzit. Tuusig Mau het dr Hafe bäbt, hundert Mau hei d Muure ghäbt, sibezg Mau het d Insle Lava gschpöit, u euf Mau hets Äsche gschneit. Dr Summer vergheit zwüsche de Kontinänte. Scho gli leit Dunkuheit ires Netz über ds jüngschte Land. U de wirds fischter hie u chaut. Aber ungerem Gletscher brönnt ds ewige Füür. Hüt gits ufem letschte bewohnte Hof e Fiir. Arni u Ellin stö wi usbrönnti Krater Hand in Hand im schwarze Sand, dopplet krümmt u inenang verkeilt. Dr Arni treit e Doppureier mit Chnöpf us Waugebei. U d Ellin Gummistifle u dr Brutschleier vo denn. U wöu me hüt öppis z fiire het, gits es Stückli fermentierte Hei u es Schlückli Gletschermiuch u für die, wo wei, es Glesli schwarze Tod. Us Reykjavík isch d Familie aagrückt. Ussert ei Neveu, e Wirtschaftswikinger, wos im Staatsbankrott het glüpft u sech churz drufabe ufem Dach vomene Glasfassadeturm imene Hot Pot e Chugle i Chopf het drückt. U itz seit dr Arni zur Ellin: «Das wird wider e schöne Tag gsi si.» D Zit geit wi im Flug verbi. Hüt fiire si Iisigi Hochzit. Tuusig Mau het dr Hafe bäbt, hundert Mau hei d Muure ghäbt, sibezg Mau hets nöime Lava gspöit, u euf Mau hets Äsche gschneit. Töuple übersäie d Feuse u chräie, e Dorfmusig spiut. Arni u Ellin probiere z tanze, e Tante leits ufe Ranze. Ds Meer misst sech am Land. Am mittuatlantische Rügge ribe wider mau d Platte anenand.
10.
Warschau 06:23
Vor Dili bröckelet dr Stuck uf vili barocki Stüu, uf Samt u Side. Blibt lige ufem Rügge vor e feisse Chatz u zwöi wiiss puderete Perügge. Ire Vase steit e Gladiole, imene Egge vom Zimmer dr Chünig vo Pole. Ir Mitti e Linwand mit ere Vedute – e Stadtaasicht vo Warschou –, u näb dere dr Bellotto, e venezianische Maler, bekannt aus Canaletto. U me cha säge, dr Blick vom Chünig verlüürt sech grad chli i däm Biud vo sire Stadt, wo ächter usgseht aus i Würklechkeit. Dr Chünig seit: «Hm», u chratzt sech ar Backe. D Chatz schmöckt vou Ennui a sine Socke. Dr Canaletto wartet ufene Reaktion, het scho chli Schiss, dr Chef göng abe mit em Lohn. Wöu dr Künschtler weiss, sini realistische Stadtaasichte si nümm so gfragt wi o scho. Derbi hei Cheiserinne u Chünige zu sine Chunde ghört. Jedes Schloss het e Galerii, u sini Dresden-Serii hanget i dr Ermitage. Uf sine Biuder si Mönsche Staffage. U villech grad drum het me öppe i dr Upperclass bimene Glas Rote ghöre säge: «Eine vo dene Canaletti wett i o.» Ke angere het Europa gliich gnau gmale wi dä Venezianer Rom, Münche, Turin oder Wien. U klar het er ghoffet, aus gieng geng so witer, u sini Vedute blib uf dr Italie-Rute es beliebts Grand-Tour-Souvenir. Aber itz luegt dr Chünig vo Pole geng no uf das nöie Biud vo sire Metropole u seit geng no nüt. U drum länkt o dr Maler si Blick no einisch ganz gnau u zum hundertschte Mau uf d Linwand u dänkt: «Ja guet, i hätts o angers chönne male.» Di Idee lat ne nümm la ga. Es isch logisch nid z versta, aber i däm Momänt gseht er uf sim Biud kes einzigs Huus me sta. Ds Liecht isch miud, u ir Mitti vom Biud probiert d Staffage di igrabni Stadt vo Schutt z befreie, suecht unger Bärge vo Äsche nach Warschou. U findet nüt meh. Ds Liecht chehrt. U dr Canaletto gseht Dänkmaupfleger vom Widerufboubüro, wo sech überwinde, di zerstörti Autstadt mit Hiuf vo sine Biuder widerzfinde, zämezschwindle. U er stuunet, dass di UNESCO-Stadtkopii itz ächter usgseht aus si je isch gsi. U villech würd er, wenn er hüt würd läbe, so wi i sogar säge: «Las Vegas cha e Acte de Résistance si.» Aber er schwigt. Sis Hirngspinscht isch geng no nid verbi. Hinger dr Autstadtkopii sticht itz em Stalin si Kulturpalascht aus wuchtige Mascht i di holländisch aaghuuchte Wouche. U im drissigschte Stock uf dr Ussichtsterrasse steit ganz chlii dr Juri Gagarin, luegt abe u seit: «Si isch wit ewäg, di Wäut.» U im Parterre bäut dr Mick Jagger: «I can’t get no satisfaction», für ne Chischte Wodka imene Riisesau, lat d Hose abe u niemerem d Wau. Ir erschte Reie sitze di kommunistische Offizieue, lose toube zue u chöme ersch wider zur Rue, wo Tänzerinne im Sous-Sol für si strippe u drzue unorthodox iri Lippe netze. Dr Canaletto chunnt geng meh i ds Stutze. A eim vo dene tuusig Hochhuusfänschter gseht er itz o no e müede Breschnew hocke. U e feissi Chatz tuet a Breschnews Socke schmöcke. U es letschts Mau änderet dr Kontrascht u e junge Aabe sitzt aus schüüche Gascht am Horizont zwüsche nöie Wouchechratzer u em Stalin sim Kulturpalascht. Di aute Flagge wärde ghisst, u ir Autstadt isst e Staffage meh Burger aus Pirogge. Am rächte Biudrand gseht dr Maler munzigi Extreemi dür ne Strass marschiere. Si mache dr Gruess, si si lut u trage ds Wappe uf dr Hut. Aber Mönsche si em Canaletto nie so wichtig gsi. Er luegt es letschts Mau uf Warschou u fragt sech zurächt: «Was isch ächt? Was isch Tüüschig, u was schlächt? Was isch aut? U was gfaut? Was isch Gschicht? U was Gedicht?» Er hofft, sini Kunscht miech irgendeinisch für irgendöpper Sinn. Aber schlimm isch i däm Momänt, dass dr Chünig geng no schwigt.
11.
Grauholz 04:54
Dr Winter chuttet über e Schwarzchopf u es schneit. Er ertreits, hüut sech i Schwige u i Peuz. A üser Windschutzschibe chläbt e Vogudräck u Schnee. Mir gseh Chräie düre Outobahnabschnitt Richtig Bantiger flüge. Mir bewege üs i däm Fläschehaus chum vom Fläck. Im Heck vom Mitsubishi schlaft ds Gepäck. Mir si erlüüchtet vom Armaturebrätt. Dr Rimini häbt ds Stüür. Wi lahmi Unghüür schnaage üs Laschtwäge imene gfrorne Strom vo Chäre am Grauhouz entgäge. I däm Fadechrüz vo Oscht-Wescht-Nord-Süd stö mir chli fertig u verlore zwüsche Walliser, Zwöuftönner u Pole. Uf dr Gägefahrbahn schrisst e Frou e Stei. Mir stö im Stou u chöme hei vo üser Grand Tour. Scho dr Gotthard het üs gschluuchet. Schritt für Schritt bissisch vor dran uf Granit u kämpfsch di dür ne mentali Wand, zrügg i dis verschuudet-verschonte Land. Ganz vergäbe chunnsch o du nid hei. Drfür wädle itz d Fahne vo Ochsner-Schue u Beldona zur Begrüessig wi ufgregti Hundeschwänz. Warum schlö üsi Härz so flach u mache keni Fröidetänz? Isch ire Grund u Bode o scho gfrore? Derbi treit ds Shoppyland hüt für üs e wiissi Chrone. E ganzi Gwärbzone ligt da wi es Lego-Gschänkli i dr Sänki näbe dr A1. U i weiss, dass ir Eifamiliehuussidlig Brieftube hinger Gitter hocke u warte, dass irgendöpper e Nachricht i ds Usland muess schicke. U villech schutte dert ufem Fäud o no grad d Juniore vo Schönbüu gäge Dürrenascht. U Rekrute spaziere vis-à-vis über ds Kasärneareau u probiere iri Dienschthüng für irgend e Ärnschtfau z träniere. Di Rue hie isch nid gschpiut. I mim Chopf ghöre i no ds Ruusche vom Kontinänt. Im Radio rede si vo Kontingänt. U i däm Momänt dänke i a di abegschossne Ross, wo hie im Grauhouz si gläge, näbe versprängte Soudate, wo ires Läbe vergäbe im tschäggete Schnee hei gla. U a au di Chräie, wo nach dr Schlacht es Fäud übersäie. U a di lääre Blicke vo Stärbende, wo sech bim Picke i dene Chräieouge spiegle. Schnee gheit im Takt vo Hundertschtusekunde u ligt kompakt uf aune. Tanne neige sech im Wind. Im Hingergrund zeige d Aupe iri chaute Stirne. U i merke, dass mini müede Ouge ir Fahrtrichtig em Blick vo de Frömde fouge, wo vo Schönbüu här gäge d Stadt si zoge. Dert hei d Herre iri Rügge boge vor dr Demokratii. Dr Verchehr chunnt vom Stocke i ds Roue. Aber es dünkt mi, das Gfächt sig no nid ganz verbi. Geng meh Flocke verdecke dr Asphaut. Me het toti Bärner uf toti Franzose gleit. Hüt seit me im Intercity, wo dür dä Bode geit, heigs zweni Platz. Üse Tank isch läär. Souverän isch, wär garantiert, dass nüt passiert. Dr Rimini fragt: «Wosch witer aus bis Bärn?» I säge: «Für e Momänt si mir gnue gritte. Chumm mir gö hei uf üsi Site.»

about

Fitzgerald & Rimini präsentieren ihr neues Album «Grand Tour» – ein fulminanter Trip durch Europa in Wort und Ton.
Für ihre neue CD «Grand Tour» haben sie babylonische Hauptstädte und verlorene Käffer, Metropolen in Afterafterpartylaune und Badeorte in der Nachsaison besucht, haben Klänge und Worte gesammelt, um daraus die tönende Erinnerung an eine europäische Heimat zu machen, die über jede Grenze hinausgeht. Aeberhard greift seine Laute aus der Luft und kratzt sie aus der Erde, von Graffenrieds Texte kippen vom Konkreten ins Poetische und zurück, mal Deutsch, mal Englisch, mal Dialekt. Unter Mitwirkung zahlreicher Schweizer Musiker/innen klingt diese Grand Tour wie das kontinentale Rauschen zwischen Rimini und Istanbul, Island und Grauholz – ein europäischer Rausch.
Was die beiden an einem Ort finden, taucht an einem andern wieder auf, unkenntlich vielleicht oder doch eine bisher unbekannte Linie ziehend, von einem Ende Europas zum anderen, von einem kleinen Leben zu einer grossen Geschichte. Der Kontinent gibt den Rahmen, die Geographie leitet den Blick. Die Namen der Städte und Orte liefern nicht nur die 11 Stücktitel der neuen CD, sie sind Anker der Beobachtung einer mit grosser Zuneigung für merkwürdig befundenen Realität.

credits

released February 13, 2015

Ariane von Graffenried - Texte, Stimme
Robert Aeberhard - Komposition, Geräusche, Bass, div. Instrumente
Kevin Chesham - Schlagzeug
Simon Rupp - Gitarren, Banjo
Endo Anaconda - Stimme
Nadja Stoller - Chor, Backing Vocal
Stephan Greminger - Chor, Backing Vocal
David Brühlmann - Chor
Mik Keusen - Piano, Fender Rhodes
Oli Kuster - Moog, Orgel
Jan Galega Brönnimann - Bassklarinette, Kontrabassklarinette
Lukas Roos - Klarinette
Lukas Thöni - Trompete
Leo Bachmann - Tuba
Nina Thöni - Posaune
Karin Widmer - Violine.

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Fitzgerald & Rimini Bern, Switzerland

Fitzgerald & Rimini bewegen sich seit Jahren an der Schnittstelle von Literatur, Musik und Performance. Das Duo wurde 2005 von der Autorin und Spoken-Word-Poetin Ariane von Graffenried und dem Musiker Robert Aeberhard gegründet und hat seither zahlreiche Bühnen und Musikclubs bespielt. 2011 erschien die CD «Aristokratie und Wahnsinn», 2015 «Grand Tour» im Verlag der gesunde Menschenversand. ... more

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