1. |
Rimini
05:05
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Vom Meer här ziets.
E Heli transportiert
e Madonna,
früsch reschtouriert.
Dr Himmu isch graublau,
u drin in hanget d Jungfrou
amene Seili us Stau.
Das Biud isch zimlech surreau
u itz fats o no aafa schneie.
Du nimmsch di Goffer a d Leine
uf dr Suechi nach emene Hotel
ir zwöite Reie.
Chunnsch are 70er-Jahr-Bar verbi.
Am Zapfe steit e verweukti Prinzässin,
di schänkt sech grad e Spumante i,
luegt derbi glängwilet
u herrschelig dri,
so, aus wär ire Père
hie Disco-Chünig gsi.
U itz bättisch du si
chli dür d Schibe a
u wo sech öii Blicke
im Beschlagene chrüze,
da verschiebt sech öppis
i dir drin:
Du hesch vergässe,
dass du
Dräck am Stäcke hesch,
e Frou u Ching.
D Prinzässin grinset überläge,
du lachsch itz chli verläge.
Schnee kippt i Räge.
Du wünschisch dir
es angers Läbe
u es läbeslangs Glück.
Loufsch witer
dür ne Betonschlucht,
verbi ar e Spiusalonflucht.
Im Hotel Nevada
louft Radio Maria.
Es wird bättet,
u d Heizig chlopfet
off-beat.
E Stift steit vor emene Schlüssuchaschte
u schlaft fasch im Sta i.
Dr Bueb brümelet:
«Nume dr sibet Stock isch in Betriib.»
Du nimmsch d Stäge,
wöu dr Lift wot nid.
Es schmöckt nach Tapete
u verdunschtetem Gin.
Du chüüchsch
u fragsch di,
öb di Stimm,
wo du sit guet ere Minute ghörsch,
vo duss chunnt
oder vo dinn.
Oder dinn isch
i dim Gring.
Loufsch dür ne ewig länge Gang.
I däm hange auti Foto
mit Summergescht u Dolce Vita druf
ar Wang.
Du loufsch u loufsch
zu dire Tür
u dräisch dr Knouf,
geisch über d Schweue,
touchsch i d Zäue,
sinksch i d Faue.
Ligsch i däm Näscht
wi e aute Hund
oder wi es Wrack
ufem Grund.
Dini linggi Hand suecht
d Fernbedienig,
di rächti Hand
dr Hosebund,
u d Gwohnheit seit:
«Es geit, es geit,
es geit de scho,
schaut i.»
Es si Wahle.
Du hesch ke Weli.
Uf jedem Sänder louft
politischi Komedi.
So mit haubblutte Tänzerinne.
Dr Tüfu spiut e Schlager,
u sini Tschumple singe,
es gäb bis zletscht no öppis z gwinne.
Schubidu, schubidu.
U itz merksch ersch,
dass di Tschumple
aui gliich usgseh wi du.
U du fragsch di,
öb di Doppugänger
verwandti Seele si
oder maskierti Sänger,
u das roubt dir
schier dr Schnuuf.
Du geisch zum Fänschter
u schrissischs uuf.
Ghörsch ds Meer,
ärnschthafti Wäue.
Wiissi Flocke
schneie ine
u vergheie
ufem Teppich,
wi di erschti Reie
ufem Bode im Chrieg.
Dr Tüfu spiut geng no
uf Tüfu chum use,
aber duss isch stiui Nacht.
Dr Mondschiin löiet
uf dr Küschte
u dire nümm ganz
subere Weschte.
Itz läänsch usem Fänschter,
u scho füeusch di liechter
u fingsch, aus miech dir
nümm viu uus.
Du luegsch
uf di schwarzi Adria.
Uh ja,
di ziet di itz grad
zimlech a,
uh ja,
di zieht di a.
Du bisch nume no haub
i däm Zimmer,
es dünkt di,
du ghörsch no
ds Gwimmer
vom Sensemaa
oder vor e Tänzerin,
wo im Fernseh in
e Misstritt het gmacht
oder es Schlegli het gha.
Itz steisch am Strand.
Im Sand ligt e Roche
tot ufem Trochne
am Ufer im Schnee,
so wids mau imene Fium hesch gseh.
Drnäbe steit d Prinzässin
us dr 70er-Jahr-Bar,
schön u verläbt,
mit nasse Haar.
Si grinset,
du fragsch:
«Säg, bin i no mi?
Oder wär bin i?
Säg, isch es das gsi?»
U itz seit si:
«Es geit verbi,
das isch d Nachsaison
in Rimini.
D Nachsaison
in Rimini.»
U ganz ir Neechi
steit d Madonna wider
im Alberti sire Chile
u e Gängschter
geit vor ire
uf d Chnöi.
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2. |
Brüssel
05:27
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I sitze imene Japaner
dans la Rue Américaine z Brüssu
shared food concept
between the expats
quand une Espagnole me raconte en anglais
que quelques jeunes Espagnols émigrés
meurent de froid
dans les rues norvégiennes
u när seit eine uf Französisch:
«Fasch wi di usgsteute Afrikaner
z Brüssu ar Wäutusstellig im 58i.»
I hocke im Schoss vo de Eurokrate
dans les entrailles des eurocrates
u nime Sprachbeder en masse,
des bains de langues
parce que j’adore ça
obwou i se gar nid au versta di Sprache
u o nid di Sprachbeder
et ni les eurocrates.
U während im einte Egge so gredt wird,
gheit mir es usstärbends Fischli vom Stäbli
et à la deuxième tentative
verschwindets für immer i mim hedonistische Müüli
while in another table corner
they talk about policies and frameworks,
et je demande avec ma bouche
pleine de sushi, pleine de langues,
was das genau bedüti
et pourquoi on a toujours dit Merkozy et pas
Sarkel.
To be honest, I don’t give a shit about
their answer. I just wanna be part of this round
u wot Sprachbeder nä en masse,
des bains de langues
parce que j’adore ça
obwou i se gar nid au versta di Sprache
u o nid di Sprachbeder
ni les eurocrates.
Ils ont quitté leur pays
mais pour l’Allemand qui parle en anglais
isch DDR e heilsami Erfahrig gsi,
z merke, dass d Wahrheit nid wahr muess si,
but he deeply believes in Europe,
u i wot o dra gloube.
J’ai la nostalgie de la foi et du fois gras
entre mes lèvres pécheresses,
aber Gänsehäus mit Metaustange z plage
ghört verbotte im nöie Europa.
Though I’m not part of it,
nevertheless, je me baigne dans ses langues.
I nime Sprachbeder en masse,
touche ab,
j’adore les bains de langues
obwou i se gar nid au versta di Sprache
u o nid di Sprachbeder
ni d’ailleurs les eurocrates.
Churz han i mi verlore ir Struktur vor e Auge,
quand une Finlandaise dit en allemand
que la face de Facebook à Bruxelles s’appelle
Erika Mann.
U itz frag i mi, öb äch Lobbyischtinne
di bessere Schriftsteuerinne für Europa si,
u merke, dass i es zimlechs Gstürm im Gring ha
u o zimlech eine ar Chappe, alors
je demande à l’assemblée,
was de e gueti Eurokratin usmachi.
Et un Lituanien me répond en flamand:
«To think logically in several languages.»
U i dänke, i däm Fau geit das no Jahre
till I’m part of this shared food concept.
I tünkle roue Fisch i Sojasosse
et je me demande s’il se sent comme moi
dans son bain de soja
and whether we are both dying out
for the sake of a great idea,
wo viu euter isch aus mini
chliini Sprachlosigkeit
dans cet océan de langues.
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3. |
Monaco
04:50
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Maude logiert seit einigen Tagen
im Hôtel de Paris,
Diamond Suite Winston Churchill,
und fühlt sich ein bisschen wie Grace Mugabe.
Maude ist eine Luxusmade,
weltentrückt und eingenistet
in der weichen warmen Wade
einer osteuropäischen Waffenhändlerin.
Und wenn das Sonnenlicht sich
an der Yacht der Oligarchin bricht,
dann sonnt sich auch Maude
auf der Flying Bridge
in ihrer fleischigen Wabe,
lauscht dem Prickeln des Champagners
und frisst und frisst.
Leichtsinn liegt hier in der Luft.
Möwen kreisen über der Bucht und rufen:
«Rien ne va plus, kleine Maude.
Rien ne va plus.
Auch wenn Oleander hier ewig blüht.»
Maude liebt das Leben
auf Kosten der andern.
And the costs at the coast are considerable,
besonders abends.
Dann pudert sich der Mond
zur never ending party.
Die Oligarchin sitzt bereits seit Stunden
im Casino und spielt sich
wie besessen in den Rausch.
Maude saugt indessen,
bedeckt von Pailletten,
einen Cocktail
aus slawischem Körpersaft.
Nach Mitternacht
wirft die Oligarchin
Rubinohrringe vor die Füsse des Croupiers.
Der grinst und gönnt sich eine Pause
mit einer Gauloises Blondes.
Ja, der Leichtsinn liegt hier in der Luft.
Möwen kreisen über der Bucht und rufen:
«Rien ne va plus, kleine Maude.
Rien ne va plus.
Auch wenn Oleander hier ewig blüht.»
Azurblaue Wogen klatschen
an die Klippen,
auf dem Dancefloor wippen Piratenfürsten
zu harten Rhythmen aus Detroit.
Unter ihren Augenlidern
liegt ein alter Fluch begraben.
Maude weiss,
eines Tages ist checkout-time,
coz she is not a rich man’s child.
Doch bis dahin will die kleine Junkymade
sich an der grenzenlosen Jouissance laben,
in dieser Stadt, die keinen Winter kennt
und das Rennen auch dann weitergeht,
wenn Lorenzo Bandini im Ferrari verbrennt.
Ja, ja, der Leichtsinn liegt hier in der Luft.
Möwen kreisen über der Bucht und rufen:
«Rien ne va plus, kleine Maude.
Rien ne va plus, kleine Maude.
Auch wenn Oleander hier ewig blüht.»
Maude liebt jeden Zentimeter der Oligarchin,
doch irgendwann ist sie zu dick für deren Haut.
Der Wohnsitz wird zur offenen Wunde.
Bevor das Skalpell die Oligarchin trifft,
ist Maude schon ausgeflogen,
stieg wie die Concorde in die Lüfte – Jetset
adieu – und landete auf einem Hundehaufen,
quelle nouvelle résidence, mon Dieu.
Manchmal vermisst Maude die Oligarchin.
Dann fliegt sie zu ihr ins Hotel
und setzt sich auf ihr Dekolleté.
Doch es fühlt sich irgendwie anders an.
Leichtsinn liegt hier in der Luft.
Möwen kreisen über der Bucht und rufen:
«Rien ne va plus, kleine Maude.
Rien ne va plus, kleine Maude.
Oleander blüht und blüht.»
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4. |
Istanbul
03:39
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Wär Platz het, steit ar Reling.
Eine isst es Brötli, drin e Fisch.
E Chrischt stieret uf ds Wasser
u e Derwisch i d Gischt.
E Dragqueen bättet lisli,
u e Schuemacher roucht es Chrut.
E Fenerbahçe-Fan treit e Tschador
u e Schrittmacher unger dr Hut.
Zwe Grieche hange über ds Gländer,
e Spekulantin i de Seili.
E Chinesin schiesst es Picture
vo letschte byzantinische Gebäudeteili.
E Kurdin singt es Lied u schlückt e Piue,
wo söu häufe gäge d Wuet.
Ire Tunnublick geit dür sibe Hügle
u verlüürt sech im Tribguet.
U itz leit d Fähri a am Quai,
es schmöckt nach Disu u nach Tee.
Si stige us, si stige i,
Europa-Asie-Europa.
Si stige us, si stige i.
Scho wider isch nüt verbi.
E nöie Kontinänt,
20 Minute Ewigkeit si ds Änd.
Ufem Oberdeck hockt wi in Trance e Trader,
isst e Sesambräzu u list –
ganz muslimische Calvinischt –
ds Ärdbebe-App u dr Börsebricht.
E Armenier spiut Backgammon
gäge aui, wo backbord gäg ihn wei spile.
U aus, wo er je verlore het,
gwinnt er o hüt nid zrügg.
Im Heck, aui chli am Döse,
sogar dr Säubschtmordattentäter isch ignickt
u tröimt im vorletschte Schlaf,
er heigi nüt kaputt gmacht, sondern öppis gflickt.
Are Archäologin bisse d Ouge,
si schnüzt i Yves-Saint-Laurent-Schau,
schiesst e Fläscheposcht i Bosporus:
«#Taksim isch überau.»
U itz leit d Fähri a am Quai,
es schmöckt nach Disu u nach Tee.
Si stige us, si stige i,
Asie-Europa-Asie.
Si stige us, si stige i.
Scho wider isch nüt verbi.
E nöie Kontinänt,
20 Minute Ewigkeit si ds Änd.
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5. |
Teufelsberg
02:01
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Was von einst geblieben war,
lag unter uns begraben,
als wir auf Trampelpfaden
den Teufelsberg bestiegen,
um einen Blick zu werfen auf die Stadt,
eine Art Afterafter-Party.
Wir legten uns ins Fingerkraut,
auf die im Krieg gefallenen Häuser,
auf Klinker, Zement und Porzellan,
auf Schichten: Geschichte, die
hervortrat unter Narben im Gras
und uns im Nacken sass.
Es dämmerte, und wir blickten
in die Ferne. Im Urstromtal
reckte sich das Hypothekenkapital
zwischen Grossstadtpflanzen,
resistenten Ecken und Kanten
auf märkischem Sand.
Und dann fragte Marie:
«Wann zerstören wir?»
Die kaputte Sophie wollte Heizpilze sammeln.
«Die Ruinen von morgen stehen hier»,
sagte Kasimir.
Wir wollten die Dinge
aus der Nähe betrachten. Der dritte Sektor
und die Avantgarde des Waldes erwachten.
Mensch und Wildschwein schworen
das Gelübde
zu den Billboards in Mitte:
«You need more than ever before.»
Das Aderwerk der Strassen tickte,
Nachtschwärmer nickten glücklich ein.
Und irgendwo in einer schicken Carloft
küsste ein müder Kunde einen Callboy.
30 Euro kostet eine Schäferstunde
in der Republic of Fun.
Mit der ersten Sonne
flog ein Falke über das Plateau.
Eichen rauschten am Saum des Waldes.
Wir lauschten, wie sie komponieren,
und hofften auf eine Zeit,
an die wir unser Herz verlieren.
Und dann sagte René:
«24 Stunden sind kein Tag.»
Und André: «Was steht unter dem Strich?»
«Und wie lange dauert dann ein Leben?»,
fragte ich.
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6. |
Bermondsey
04:07
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Her name is Milly,
Milly aus Bermondsey,
Bermondsey
that used to be
London’s centre
of 19th century Tierhautindustrie,
und so passt es auch irgendwie,
dass Bermondsey
still one of these places is
where you learn
wie man Haut über die Ohren zieht
und wo «fuck» jedem Satz
den Rhythmus gibt.
Her name is Milly,
Milly aus Bermondsey,
Spross einer working class
dynasty,
whose only legacy
was sympathy
for white power,
preference for
white powder,
blind trust
in die Britische Lotterie
and unconditional love
for Millwall FC.
Her name is Milly,
Milly aus Bermondsey,
and where she goes
it smells of Ärger
of cheap Parfüm
and cheeseburger.
No one likes her,
but she doesn’t care,
she never cries
coz Milly weiss,
welcher Wind im Süden weht.
Oh, she knows,
wie verlieren geht.
Milly is really
no conventional beauty,
but the ungekrönte queen
of the Bermondsey scene.
She worked hard
on her career,
broke up school
to play some pool
at the local pub,
to fight,
drink
and screw.
Milly’s Bleibe
ist beileibe
not Victorian.
She lives next
to the tracks
auf schiefer Bahn
between bricks and stacks
in an old caravan.
And in her sleep
she looks like a lamb,
but deep in her chest
ruht even then die Wut auf Gott
und West Ham.
Und wenn Nieselrain
ans Fenster klopft
und Saturday
ein Stück näher rückt,
spürt Milly so etwas wie Glück.
She carefully irons
her dearly-loved Lions
on her hoodie sweater.
Unter der Kapuze
trägt Milly halbe Glatze
und ein dickes Fell.
What she does,
she does it well.
Milly is really
no conventional beauty,
but the ungekrönte queen
of Millwall’s
hooligan scene.
She worked hard
on her career,
broke up school
to play some pool
at the local pub,
to fight,
drink
and screw.
I never knew
how it feels
to be hit
by a she
until she
hit me.
Milly is really
no conventional beauty,
but the ungekrönte queen
of Millwall’s
hooligan scene.
She worked hard
on her career,
broke up school
to play some pool
at the local pub,
to fight,
drink
and screw.
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7. |
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Regen bricht durch Luft,
und Laternenlicht sticht durch
die Spalte eines Vorhangs.
Eine Frau erhebt sich
aus galicischen Laken.
Eine Kakerlake klettert
in einen Latexhandschuh.
Ein Mann in Funktionswäsche
fragt:
«Woran denkst du?»
Und die Frau sagt:
«À un berger allemand.»
Und während sie spricht,
schwankt ein Prozessionszug
mit Kreuzen beladen
durch die Stadt.
C’est Pâques
à Saint-Jacquesde-
Compostelle.
Mörtel bröckelt
von der Decke,
in der Ecke lehnt
ein Pilgerstab.
Der Mann sagt:
«Innsbruck war der Start.
Kennst Innsbruck?»
«Connais pas.»
«Innsbruck ist schmuck.»
«Tu veux une cigarette?»
«Du, ich rauch schon lang nicht mehr.
War schwer, aufzuhören.
Kann’s dir nur empfehlen.
Wo war ich stehengeblieben?»
«Un paquet de Fortuna par jours
et la vie pèse moins lourd.»
«Pfaffenhofen.
Dann Roppen,
Zams,
vorbei am Zammer Lochputz,
das ist so eine
Schluchtenlandschaft
mit einem,
ich kann’s nicht anders sagen,
mystischen Wasserfall.»
«Quand j’ai vu la mer
pour la première fois,
j’ai eu peur de mourir.»
«Und da gehst über einen
Wasser-Erlebnis-Steig.
Und dringst ein
in eine wilde Naturschönheit.
Das Wasser hat dort eine
enorme Kraft.
Da bist baff.»
«Tu veux une bière,
j’ai soif.»
«Und irgendwann
kommst in St. Christoph an.
Da gibt’s ein nettes Hospiz.
Das schützt dich
vor Gottes Launen
wie Donner und Blitz.»
«Quand la tempête fait rage,
tout est calme au fond
de la mer du non-retour.»
«Auf Wanderschaft
erlebst du ja Wetter
und Land direkter,
nicht nur leiblich,
sondern auch affektiv,
meditativ,
irgendwie weiblich.
Dann weiter,
Schritt für Schritt,
eine Kadenz des Glücks.
Bis Bludenz.»
«J’ai traversé des pays à pied.
Depuis je préfère
le voyage motorisé.»
«Und von Bludenz weiter, gell,
immer noch zu Fuss.
Und zu Fuss gehen
macht dich gescheiter,
du kommst weiter,
also eben auch innerlich.
Du hast Begegnungen,
aber findest auch dich,
also zu dir.
Das ist nicht leicht,
weil deine angeschlagene Seele
schleppst du ja mit.
Und bei solchem Ballast
und solchen Distanzen
kommst klar an Grenzen.
Auch körperlich.
Wanzen in Stanz,
in Valence die Blasen,
in Toulouse den Blues.
Uh, Toulouse.
Zu Fuss ist Europa
schon gross.
Und der Jakobsweg
kein Zuckerschleck,
no walk in the park,
er erschüttert Mark
und Bein.»
«J’ai pris la route ouest-africaine.
Le Sahara est dur,
mais ce n’est que l’ouverture.»
«Grad die Pyrenäen
– diese Hunde –
gehen dir an die Substanz.
Und ob du’s glaubst oder nicht,
in Foncebadón
entglitt meinen Lippen
nach Jahren
ein erster Rosenkranz.
Da war ich schon ziemlich am Ende.
Also mit den Nerven.
Aber wenn du dich dann
über den letzten Hügel
schleppst und runter nach
Santiago de Compostela blickst,
ist das schon ein Moment
von unbeschreiblichem Glück.
Spirituell gesehen,
eine Wahnsinnserfahrung.»
«Moi en Dieu j’y crois,
tu es croyant toi?»
«Ich bin halb Buddhist,
halb Christ
und dazu noch ein bisschen
Kapitalist.»
Und während er spricht,
tragen barfüssige Büsser
einen Jesus Christus
durch die Stadt.
Und vor dem Fenster
fällt der Regen
und ein Splitter Nagellack
wie ein welkes Blatt
von ihrem Finger
aufs Parkett.
Das Bett ist leer.
Die Frau steht am Fenster,
der Mann auf wunden Füssen hinter ihr.
Er sagt:
«Am Ende meiner Pilgerfahrt
betrat ich die Kathedrale,
warf eine Münze
in den Opferstock.
Im Hochaltar thronte
im goldenen Rock wie ein Krösus
der heilige Jakobus.
Pilger aus aller Herren Länder
standen dicht beieinander
und zwängten sich
durch einen schmalen Treppenaufstieg.
Das tat auch ich.
Und irgendwann
stand ich hinter dem Jakobus
und gab ihm einen Kuss.
Aber im Gegensatz zu dir
ist er aus hartem Holz geschnitzt.»
«Tu as encore
de l’argent
pour une heure
de plaisir en sus?»
Und während sie spricht,
tragen barfüssige Büsser
eine María de la Soledad
durch die Stadt.
C’est Pâques
à Saint-Jacquesde-
Compostelle.
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8. |
Eyjafjallajökull
02:18
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FLIGHT FR 2484 TO VENICE TREVISO
IS CANCELLED.
FLIGHT BA 397 TO BRUSSELS
IS CANCELLED.
FLIGHT LS 241 TO NICE
IS CANCELLED.
FLIGHT TK 284 TO ISTANBUL
IS CANCELLED.
FLIGHT LH 4311 TO BERLIN
IS CANCELLED.
FLIGHT BE 397 TO LONDON HEATHROW
IS CANCELLED.
FLIGHT IB 3875 TO SANTIAGO DE COMPOSTELA
IS CANCELLED.
FLIGHT B2 895 TO WARSAW
IS CANCELLED.
FLIGHT SN 2325 TO GENEVA
IS CANCELLED.
ALL FLIGHTS FROM AND TO REYKJAVÍK
ARE CANCELLED.
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9. |
Langanes
03:51
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Ufkratzeti Sunnestrahle lige im Moos.
S isch nümm viu los uf Langanes.
Das isch dr Usseposchte vo Europa,
Island isch es Jota am Polarkreis.
D Amis si scho lang gschobe,
u d Fischzucht het sech nach Weschte verschobe.
Dr Chaut Chrieg ligt uf Iis.
Ds Käär um d Kabeljaue isch verbi.
E toubi Radarstation döset vor sech hi,
u im Lüüchtturm am Zipfu
si d Bire ändgüutig düre.
Paar Wäue schlö a ds Ufer,
paar Seehüng bäue
u paar Eufe löie ungerem ne Stei.
U itz seit d Ellin zum Arni:
«Das wird wider e schöne Tag gsi si»,
u hänkt sech bi ihm i.
Hüt fiire si Iisigi Hochzit.
Tuusig Mau het dr Hafe bäbt,
hundert Mau hei d Muure ghäbt,
sibezg Mau het d Insle Lava gschpöit,
u euf Mau hets Äsche gschneit.
Dr Summer vergheit zwüsche de Kontinänte.
Scho gli leit Dunkuheit
ires Netz über ds jüngschte Land.
U de wirds fischter hie u chaut.
Aber ungerem Gletscher brönnt ds ewige Füür.
Hüt gits ufem letschte bewohnte Hof e Fiir.
Arni u Ellin stö wi usbrönnti Krater
Hand in Hand im schwarze Sand,
dopplet krümmt u inenang verkeilt.
Dr Arni treit e Doppureier
mit Chnöpf us Waugebei.
U d Ellin Gummistifle
u dr Brutschleier vo denn.
U wöu me hüt öppis z fiire het,
gits es Stückli fermentierte Hei
u es Schlückli Gletschermiuch
u für die, wo wei,
es Glesli schwarze Tod.
Us Reykjavík isch d Familie aagrückt.
Ussert ei Neveu, e Wirtschaftswikinger,
wos im Staatsbankrott het glüpft
u sech churz drufabe
ufem Dach vomene Glasfassadeturm
imene Hot Pot
e Chugle i Chopf het drückt.
U itz seit dr Arni zur Ellin:
«Das wird wider e schöne Tag gsi si.»
D Zit geit wi im Flug verbi.
Hüt fiire si Iisigi Hochzit.
Tuusig Mau het dr Hafe bäbt,
hundert Mau hei d Muure ghäbt,
sibezg Mau hets nöime Lava gspöit,
u euf Mau hets Äsche gschneit.
Töuple übersäie
d Feuse u chräie,
e Dorfmusig spiut.
Arni u Ellin probiere z tanze,
e Tante leits ufe Ranze.
Ds Meer misst sech am Land.
Am mittuatlantische Rügge
ribe wider mau d Platte anenand.
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10. |
Warschau
06:23
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|||
Vor Dili bröckelet
dr Stuck uf vili
barocki Stüu,
uf Samt u Side.
Blibt lige
ufem Rügge
vor e feisse Chatz
u zwöi wiiss
puderete Perügge.
Ire Vase steit
e Gladiole,
imene Egge vom Zimmer
dr Chünig vo Pole.
Ir Mitti e Linwand
mit ere Vedute
– e Stadtaasicht vo Warschou –,
u näb dere dr Bellotto,
e venezianische Maler,
bekannt aus Canaletto.
U me cha säge,
dr Blick vom Chünig
verlüürt sech grad chli
i däm Biud
vo sire Stadt,
wo ächter usgseht
aus i Würklechkeit.
Dr Chünig seit:
«Hm»,
u chratzt sech
ar Backe.
D Chatz schmöckt vou Ennui
a sine Socke.
Dr Canaletto wartet
ufene Reaktion,
het scho chli Schiss,
dr Chef göng
abe mit em Lohn.
Wöu dr Künschtler weiss,
sini realistische Stadtaasichte
si nümm so gfragt
wi o scho.
Derbi hei Cheiserinne u Chünige
zu sine Chunde ghört.
Jedes Schloss het e Galerii,
u sini Dresden-Serii
hanget i dr Ermitage.
Uf sine Biuder
si Mönsche Staffage.
U villech grad drum
het me öppe
i dr Upperclass
bimene Glas
Rote ghöre säge:
«Eine vo dene Canaletti
wett i o.»
Ke angere
het Europa
gliich gnau gmale
wi dä Venezianer Rom,
Münche, Turin
oder Wien.
U klar het er ghoffet,
aus gieng
geng so witer,
u sini Vedute
blib uf dr Italie-Rute
es beliebts
Grand-Tour-Souvenir.
Aber itz luegt
dr Chünig vo Pole
geng no uf
das nöie Biud
vo sire Metropole
u seit
geng no nüt.
U drum länkt o dr Maler
si Blick no einisch
ganz gnau
u zum hundertschte Mau
uf d Linwand
u dänkt: «Ja guet,
i hätts o angers chönne male.»
Di Idee lat ne nümm la ga.
Es isch logisch nid z versta,
aber i däm Momänt
gseht er uf sim Biud
kes einzigs Huus me sta.
Ds Liecht isch miud,
u ir Mitti vom Biud
probiert d Staffage
di igrabni Stadt
vo Schutt z befreie,
suecht unger Bärge vo Äsche
nach Warschou.
U findet nüt meh.
Ds Liecht chehrt.
U dr Canaletto gseht
Dänkmaupfleger
vom Widerufboubüro,
wo sech überwinde,
di zerstörti Autstadt
mit Hiuf vo sine Biuder
widerzfinde,
zämezschwindle.
U er stuunet,
dass di UNESCO-Stadtkopii
itz ächter usgseht
aus si je isch gsi.
U villech würd er,
wenn er
hüt würd läbe,
so wi i
sogar säge:
«Las Vegas cha
e Acte de Résistance si.»
Aber er schwigt.
Sis Hirngspinscht
isch geng no nid verbi.
Hinger dr Autstadtkopii
sticht itz
em Stalin si Kulturpalascht
aus wuchtige Mascht
i di holländisch
aaghuuchte Wouche.
U im drissigschte Stock
uf dr Ussichtsterrasse
steit ganz chlii
dr Juri Gagarin,
luegt abe u seit:
«Si isch wit ewäg, di Wäut.»
U im Parterre bäut
dr Mick Jagger:
«I can’t get no satisfaction»,
für ne Chischte Wodka
imene Riisesau,
lat d Hose abe
u niemerem d Wau.
Ir erschte Reie
sitze di kommunistische Offizieue,
lose toube zue
u chöme ersch wider zur Rue,
wo Tänzerinne
im Sous-Sol für si strippe
u drzue unorthodox
iri Lippe netze.
Dr Canaletto chunnt geng meh
i ds Stutze.
A eim vo dene tuusig
Hochhuusfänschter
gseht er itz o no
e müede Breschnew hocke.
U e feissi Chatz
tuet a Breschnews
Socke schmöcke.
U es letschts Mau
änderet dr Kontrascht
u e junge Aabe sitzt
aus schüüche Gascht
am Horizont
zwüsche nöie Wouchechratzer
u em Stalin
sim Kulturpalascht.
Di aute Flagge wärde ghisst,
u ir Autstadt isst e Staffage
meh Burger aus Pirogge.
Am rächte Biudrand gseht
dr Maler munzigi Extreemi
dür ne Strass marschiere.
Si mache dr Gruess,
si si lut
u trage ds Wappe
uf dr Hut.
Aber Mönsche si em Canaletto
nie so wichtig gsi.
Er luegt es letschts Mau
uf Warschou
u fragt sech zurächt:
«Was isch ächt?
Was isch Tüüschig,
u was schlächt?
Was isch aut?
U was gfaut?
Was isch Gschicht?
U was Gedicht?»
Er hofft, sini Kunscht
miech irgendeinisch
für irgendöpper
Sinn.
Aber schlimm
isch i däm Momänt,
dass dr Chünig
geng no
schwigt.
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11. |
Grauholz
04:54
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Dr Winter chuttet
über e Schwarzchopf
u es schneit.
Er ertreits,
hüut sech i Schwige
u i Peuz.
A üser Windschutzschibe
chläbt e Vogudräck
u Schnee. Mir gseh
Chräie düre Outobahnabschnitt
Richtig Bantiger flüge.
Mir bewege üs i däm Fläschehaus
chum vom Fläck.
Im Heck vom Mitsubishi
schlaft ds Gepäck.
Mir si erlüüchtet
vom Armaturebrätt.
Dr Rimini häbt ds Stüür.
Wi lahmi Unghüür
schnaage üs
Laschtwäge imene gfrorne Strom vo Chäre
am Grauhouz entgäge.
I däm Fadechrüz
vo Oscht-Wescht-Nord-Süd
stö mir chli fertig u verlore
zwüsche Walliser,
Zwöuftönner u Pole.
Uf dr Gägefahrbahn schrisst
e Frou e Stei.
Mir stö im Stou
u chöme hei
vo üser
Grand Tour.
Scho dr Gotthard
het üs gschluuchet.
Schritt für Schritt
bissisch vor dran
uf Granit
u kämpfsch di
dür ne mentali Wand,
zrügg i dis
verschuudet-verschonte Land.
Ganz vergäbe
chunnsch o du nid hei.
Drfür wädle
itz d Fahne
vo Ochsner-Schue u Beldona
zur Begrüessig wi ufgregti Hundeschwänz.
Warum schlö üsi Härz so flach
u mache keni Fröidetänz?
Isch ire Grund u Bode o scho gfrore?
Derbi treit ds Shoppyland
hüt für üs e wiissi Chrone.
E ganzi Gwärbzone ligt da
wi es Lego-Gschänkli
i dr Sänki näbe dr A1. U i weiss,
dass ir Eifamiliehuussidlig
Brieftube hinger Gitter hocke
u warte, dass irgendöpper e Nachricht
i ds Usland muess schicke.
U villech schutte dert ufem Fäud
o no grad d Juniore
vo Schönbüu gäge Dürrenascht.
U Rekrute spaziere
vis-à-vis über ds Kasärneareau
u probiere iri Dienschthüng
für irgend e Ärnschtfau z träniere.
Di Rue hie
isch nid gschpiut.
I mim Chopf ghöre i no
ds Ruusche vom Kontinänt.
Im Radio rede si vo Kontingänt.
U i däm Momänt dänke i
a di abegschossne Ross,
wo hie im Grauhouz si gläge,
näbe versprängte Soudate,
wo ires Läbe vergäbe
im tschäggete Schnee hei gla.
U a au di Chräie,
wo nach dr Schlacht es Fäud übersäie.
U a di lääre Blicke
vo Stärbende,
wo sech bim Picke
i dene Chräieouge spiegle.
Schnee gheit im Takt
vo Hundertschtusekunde
u ligt kompakt uf aune.
Tanne neige sech im Wind.
Im Hingergrund
zeige d Aupe
iri chaute Stirne.
U i merke,
dass mini müede Ouge
ir Fahrtrichtig em Blick
vo de Frömde fouge,
wo vo Schönbüu här
gäge d Stadt si zoge.
Dert hei d Herre iri Rügge boge
vor dr Demokratii.
Dr Verchehr chunnt vom Stocke
i ds Roue. Aber es dünkt mi,
das Gfächt sig no nid ganz verbi.
Geng meh Flocke
verdecke dr Asphaut.
Me het toti Bärner
uf toti Franzose gleit.
Hüt seit me im Intercity,
wo dür dä Bode geit,
heigs zweni Platz.
Üse Tank isch läär.
Souverän isch, wär garantiert,
dass nüt passiert.
Dr Rimini fragt:
«Wosch witer aus bis Bärn?»
I säge:
«Für e Momänt si mir gnue gritte.
Chumm mir gö hei uf üsi Site.»
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Fitzgerald & Rimini Bern, Switzerland
Fitzgerald & Rimini bewegen sich seit Jahren an der Schnittstelle von Literatur, Musik und Performance. Das Duo wurde 2005 von der Autorin und Spoken-Word-Poetin Ariane von Graffenried und dem Musiker Robert Aeberhard gegründet und hat seither zahlreiche Bühnen und Musikclubs bespielt. 2011 erschien die CD «Aristokratie und Wahnsinn», 2015 «Grand Tour» im Verlag der gesunde Menschenversand. ... more
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